Der Traumreisende

Dem Menschen gewidmet

Dunkel war die Nacht, vom Regen durchtränkt,
mondlos die Nacht, verloren im Regen.
Eine wilde Nacht, dunkel, nass und eiskalt.
Seltsam seufzten die Mächte der Natur,
unter Blitz und Donner erbebte die ganze Welt.

Draußen im Garten, im Hofe,
wütete ein wilder Nordwind
mit solcher Macht, als ob er versuchte
die Zypresse auf einen Schlag zu entwurzeln
und sämtliche Blumen zu verbrennen und erfrieren.

Mondlos war Nacht, verloren im Regen.
Eine wilde Nacht, dunkel, nass und eiskalt.

Und ich war in meiner Hütte, bei dämmrigem Licht.
Vor der Ikone des Christus zitterte die Flamme.
Stumm starrte ich zur Tür, die von jeder Böe,
des Nordwinds gerüttelt wurde,
und mein Herz war schwer.

Sollte ich jemanden erwarten zu dieser wilden Stunde…
Wer, wunderte ich mich,
würde in diesem fürchterlichen Sturm kommen?

Wahrlich, auf wen wartete ich, als ich zur Tür rannte
und sie mit meinen eiskalten Händen öffnete,
um ihm die Hand zu schütteln?

Plötzlich, wie ein Blitz trat er zu mir,
und die Hütte war erfüllt von Wärme und Licht.
Liebend blickte er mich an und lächelte.
Er liebkoste mein Haupt und küsste meine Augen.

Meine Glieder verloren ihre Steifheit, mein Herz
wurde leicht, und ich fühlte eine große Wärme
bis in die innersten Tiefen meiner Seele.
Und er, immer bei mir, lächelte und
schaute mich liebevoll an und sprach mit sanfter Stimme.

Ich fragte ihn: Wer bist du? Du kamst so plötzlich.
Mein müder Kopf vermag es nicht zu fassen.
Ich denke, ich kenne dich… Du bist Christus sehr ähnlich.
Für dein Kommen bin ich dir sehr dankbar.

Er antwortete: Ich bin dein Engel,
dein Wächter und Beschützer, auf ewig dein.

Ich fragte: Wo warst du, als ich gelitten habe,
als mein Herz blutete, und ich dagegen kämpfte?
Wo warst du die ganze Zeit?

Er sagte: Ich war immer in dir und sprach zu dir sanft,
ich verband deine Wunden, ich zählte deine Tränen;
ich war immer in dir.
Als du gelitten hast, hab auch ich gelitten.

Du warst stets trunken von irdischen Dingen, Traumreisender,
und hast deinen Weg verloren in unwegsamer Unendlichkeit.
Du warst trunken von irdischen Dingen, die dich begleiten,
seit Jahr und Tag, ohne Unterlass. Was suchen sie wohl?

Diese Dinge wirbeln umher in riesigen Massen, wie Berge.
Ist „nirgends“ für dich, Reisender, gut genug als Ziel?

Die Mächte kleideten dich mit Erde, mit Salz und Wasser,
und schliefst tief in der Erde, so lange Zeit.
In Erde gekleidet, schliefst du und träumtest…
Vergebens versuchten deine Freunde, dir die Hand zu reichen.

Du hast Irdisches gesammelt und nanntest es dein eigen.
Du hast gesammelt und angehäuft, und dein Leiden begann.

Du wurdest besessen vom Irdischen, von Ruhm und Reichtum.
Deine falsche Identität erzeugte einen jämmerlichen Zustand.
Tonnenweise häuftest du irdischen Unrat, über alle Massen,
und meintest, das Haus deiner Träume zu bauen.

Wie Kirke machte dich die leere Materie zu ihrem Gefangenen.
Und du hast vergessen, dass in deinem Inneren ein Licht brennt,
der unsterbliche Geist, dein wahres Ich,
Du warst mit irdischem Unrat bedeckt… du warst nicht du selbst.

Jene, die du liebtest und die dich verrieten,
jene, die dich verletzten mit ungerechten und bitteren Worten,
jene die dich grob und schmerzhaft schlugen,
und jene, die du für ihre Güte liebst,
sie alle sind Menschen, Menschen wie du, geliebte Geistwesen.

Nun, mein Geliebter, sollst du den irdischen Unrat vergessen,
und zur Ruhe kommen.

Irdische Dinge, menschliche Dinge verwirrten auch sie.
Sie vergaßen ihr wahres Sein und waren besessen.
Vergiss die irdischen, menschlichen Dinge,
schau nach vorne und finde deinen Weg,
dann wirst du Frieden finden.

Er streckte die Hand aus und sagte: Komm, lass uns gehen…
Ich fragte: Gehen – wohin?
In das Reich Christi, dahin lade ich dich ein,
dorthin, wo jeder lieben lernt, wo jeden geliebt wird.
Du wirst Blumen sehen, die nicht welken, vielfarbig und frisch.

In dem unauslöschlichen Licht, das du einmal besaßest,
ist Lebensfreude, lebendige Liebe.
Es ist die Freude des Herrn, das Ende unseres Weges.

Ich sagte zu ihm: Muss ich die, die ich liebe, verlassen und vergessen?
Und alleine leben in Licht und in der Freude?

Er sprach zu mir: Mit allen wirst du leben – mit jenen, die du liebtest
und jenen, die du lieben wirst,
und mit jenen, die du jetzt liebst.

Hier auf der Erde, im Morast, sind nur ihre Schatten,
die irdischen Körper;
ihre Seelen sind an einem andern Ort.

Sie sind Seelen, du bist eine Seele, alle werden dich begleiten.
Sie werden sich im Licht des Paradieses mit dir vereinigen.

Ich sagte: Aber du: auch du, mein Lieber?
Er sagte zu mir: Ich bin dein Engel, Behüter und Beschützer.
Ich bin immer in dir, auf ewig dein.

Im Unrat auf Erden, in der Dunkelheit, in Irrtum und Leid.
Ich war immer in dir; verließ dich nie.
Ich war immer in dir. Jetzt bist du erwacht, und du bist Gott.
Glaubst du, ich würde dich verlassen und alleine leben?
Du bist Gott, so wie ich. Und beide sind wir Licht,
Leben und Liebe, Ehrlichkeit und Reinheit.

In der Umarmung Gottes, bis ans Ende der Zeit.
Du und ich, alle unsere Brüder,
alle auf die gleiche Weise geliebt, zu Hause ist nun
der Verlorene Sohn,
er ist zurückgekehrt und ist über die Schwelle
des Hauses Gottes getreten,
denn jeder von euch
„war verloren und wurde gefunden“ (Lk 15,24)

(Wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen)
Aus dem Buch: Die Esoterische Lehren – Ein christlicher Weg zum Verständnis der Wahrheit – Dr. Stylianos Atteshlis – ISBN 978-9963-8162-8-6