7. Kapitel: In Kana

Des Mystikers Sicht: In Kana

Altai wirbt um Esther. Eine Hochzeit und ein Wunder in Kana. Joshua heilt in Kana und K’far Nahum.

Seelig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen! (Matthäus 5:8)

  1. Die Essener in Nazareth, die ungefähr ein Fünftel der örtlichen Bevölkerung darstellten, waren meist arm, obwohl sie sehr hart arbeiteten. Die Israeliten und die Griechen in Nazareth waren im Allgemeinen reich.
  1. Yioussoufs Haus im Essener Viertel war neben dem kleinen Essener Tempel und der Synagoge. Im Alter von zwölf bis siebzehn Jahren arbeitete Joshua als Tischler in Yioussoufs Werkstatt. Er besuchte die höhere Schule der Essener unter der Aufsicht von Rabbi Davout. In seiner freien Zeit half er dem Rabbi bei seinen Aufgaben. Als Joshua Immanuel siebzehn war, lebte er mit Yioussouf und Maria, Esther und Yiacoub in Nazareth.
  1. Yioussouf war ein schwer arbeitender Tischler. Er stellte Türen, Fenster und Möbel her in seiner Werkstatt im Hof. Sein Stiefsohn Joshua Immanuel, der Sohn Gottes, half ihm dabei.
  1. Esther hatte im Hause ihres Vaters drei Webstühle. An einem arbeitete Maria zusätzlich zu ihren Aufgaben als Weiße Taube der Himmel. Der dritte Webstuhl wurde von einer Nachbarin, einer entfernten Verwandten, benutzt. Esther webte für ihren Bruder Yiacoub, der Schneider war, und verkaufte Stoffe an Altai, einen Freund und Kunden aus Kana. Kana war eine kleine Stadt ungefähr sechs Meilen nördlich von Nazareth. Altai war siebenundzwanzig Jahre alt, drei Jahre älter als Yiacoub, und beide waren sehr gute Freunde.
  1. Altais Vater, Methuel, war ein Vetter zweiten Grades von Esthers Mutter. Er hatte in Nazareth gewohnt bis er die achtzehnjährige Lea heiratete, die älteste Tochter eines Bäckers aus Kana. Lea war drei Jahre alt, als ihre Mutter starb, zwei Tage nachdem sie Sarah, Leas einzige Schwester, geboren hatte. Das Haus, das die Bäckersfamilie in Kana bewohnte, war sehr gross. In ihm befand sich auch die Bäckerei. Zwei Jahre nach der Heirat starb, Methuels Schwiegervater. Methuel, Lea und Sarah übernahmen nun die Bäckerei.
  1. Methuel starb, als sein Sohn Altai acht Jahre alt war. Lea und Sarah führten die Bäckerei weiter und zogen Altai auf. Altai war zwanzig Jahre alt, als seine Tante Sarah beim Abladen schwerer Mehlsäcke von einem Karren einen Unfall erlitt. Beide Beine und viele Rippen waren gebrochen, so dass Sarah an einen Stuhl gebunden war und weder gehen noch arbeiten konnte.
  1. Vier Jahre darauf verstarb Altais Mutter. Altai traf nun den schwerwiegenden Entschluss, Sarah in ein Heim für Arme und Behinderte in K’far Nahum zu geben. Er wollte heiraten und es schien ihm zu schwierig, eine eigene Familie durch die behinderte Tante zu belasten. Sarah liebte Altai sehr und stellte sein Glück über ihres und nahm seinen Entschluss ohne Klagen hin, obwohl es sie tief schmerzte, ihn verlassen zu müssen. Altai war ein gut aussehender junger Mann. Er hatte sich in Esther verliebt, die seine Liebe erwiderte. Da sie aber einige Jahre älter war, wies sie wiederholt seine Heiratsanträge ab.
  1. Zwei Jahre verstrichen, nachdem Sarah in das Heim gekommen war. Eines Tages, als Altai seinen schwer beladenen zweirädrigen Karren von Kana nach Magdala lenkte, löste sich ein Rad, so dass sich der Karren überschlug und Altais Beine zertrümmerte und er nur mehr an Krücken gehen konnte. Der Anblick des einsamen, elenden Altai, der unfähig war für sich selbst zu sorgen, bewog Esther, ihn doch zu heiraten und mit ihm in Kana zu leben.
  1. Zu ihrer Hochzeit kamen: Yioussouf, Maria, Yiacoub, Joshua, die anderen Söhne Yioussoufs mit ihren Familien, Tamar, Esthers Schwester mit Ehemann und Kindern, Manasseh, Aethra, Ivikos, Naomi und Yiassounai, der ein sechs Monate altes Kleinkind in den Armen seiner Mutter war. Ausserdem kamen Shabbatai, Myriam Shalome und ihre Söhne, Yiacoub und der zehnjährige Yiohannan. Dazu kamen sehr viele Freunde der Braut und des Bräutigams.
  1. Yioussouf übernahm die Versorgung mit Wein für das Fest, das nach Essener Sitte drei Nächte dauerte. Am zweiten Tage wurde es Yioussouf schmerzlich klar, dass so viele Gäste, von denen viele unerwartet kamen, der Wein nicht ausreichte. Zudem gab es in Kana keinen weiteren Wein zu kaufen. Maria sah Yioussoufs Sorgen und versuchte ihn zu trösten.
  1. Sie ging zu Joshua und sagte: „Mein lieber Joshua, wir haben keinen Wein mehr für die Hochzeitsgäste und Yioussouf ist schrecklich unglücklich.“ „Mutter“ antwortete Joshua, „was haben deine Sorgen mit mir zu tun? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ (vgl. Johannes 2:4)
  1. Lächelnd sagte Maria: „Mein Geliebter, mein Herr. Deine Stunde ist noch nicht gekommen? Es ist nicht mein Sohn, den ich bitte, mein Herr. Ich bitte dich, den Beni Alaha. Ich bitte den El Shaddai (Logos). Die Stunde des Sohnes Gottes ist allezeit.“ Joshua umarmte und küsste sie und ging hinaus. Im Eingang des Hauses standen sechs leere, dreißig Gallonen fassende Steinkrüge für das Wasser, mit dem sich die Gäste Hände und Füsse wuschen, bevor sie sich zu Tische setzten. Joshua bat die Diener die Krüge mit frischem, sauberem Wasser zu füllen.
  1. Dann sagte er zu ihnen: „Schöpft nun davon und bringt es dem Festmeister!“ Sie brachten es hin. Als aber der Festmeister das zu Wein gewordenen Wasser gekostet hatte, ohne zu wissen, woher es gekommen war (die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es), ließ der Festmeister den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: „Jedermann setzt doch seinen Gästen zuerst den guten Wein vor und, wenn sie trunken geworden sind, dann den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.“ Hiermit machte Joshua öffentlich den Anfang seiner Zeichen zu Kana in Galiläa; er offenbarte dadurch seine göttliche Herrlichkeit, und seine Jünger lernten an ihn glauben. (vgl. Johannes 2:8-11)
  1. Nach der Heiratszeremonie dachte Esther an die vielen Leidenden, die Joshua schon geheilt hatte, und wünschte sich heimlich, dass er die verkrüppelten Beine ihres Mannes heilen möge. Joshua sah diese Gedanken in Esthers Geist und verstand. In Altais Geist sah er aber das Schuldgefühl, das den jungen Mann  plagte, weil er seine Tante Sarah nach K’far Nahum in ein Heim verbannt hatte.
  1. Joshua sagte zu Altai: „Lieber Altai, deine Tante ist sehr unglücklich darüber, von dir getrennt in einem Heim für Arme und Behinderte zu leben. Du bist kein armer Mann, Altai. Sarah kann wieder gesund und kräftig genug sein, um an einem der Webstühle deiner Frau zu arbeiten. Esther würde sie bestimmt hier in eurem Haus willkommen heissen.“ Verwirrt schüttelte Altai den Kopf und sagte zu Joshua: „Du Lieber, wer hat dir von Sarah erzählt? Nicht einmal Esther weiss von ihr und du bist auch nicht von Kana.“
  1. „Mein lieber Altai“, sagte Joshua, „deine Schuldgefühle für das, was du deiner Tante angetan hast, schreien aus deinem Geist heraus. Ich höre es aus deinem Geist. Nimm jetzt den Wagen und geh mit deinem Schwager Yiacoub nach K’far Nahum und komm mit deiner Tante zurück.“ Joshua wandte sich an Yiacoub, der ins Zimmer gekommen war. „Mein lieber Yiacoub“, sagte er, „würdest du mit Altai nach K’far Nahum gehen?“
  1. Altai versuchte seine Krücken zu finden, doch Joshua streckte seine rechte Hand gegen ihn und sagte mit einer liebevollen Stimme: „Mein Lieber, du brauchst die Krücken nicht mehr. Du kannst gehen.“
  1. Altai fühlte eine sanfte Wärme, die seinen ganzen Körper überflutete, wie er es noch nie erlebt hatte, und eine große Liebe zu Sarah strömte in sein Herz. Er stand auf und konnte gehen. Er kniete vor Joshua nieder und sagte: „Ich danke dir. Ich danke dir.“ Esther kniete weinend neben ihm nieder und küsste Joshuas Hände. Yiacoub schaute Joshua mit Verehrung an; seine Augen sagten mehr als Worte hätten sagen können. Joshua schenkte allen seine Liebe und segnete sie.
  1. In K’far Nahum hatte Sarah die gleiche süße Wärme in ihrem gebrochenen Körper gespürt und zugleich stieg ein großer Wunsch in ihr auf, ihre verkümmerten Glieder zu bewegen. In ihrem Geist hörte sie eine innere Stimme, die ihr gebot es zu tun. Gehorsam streckte sie ihre Arme und Beine und tat einen tiefen Atemzug. Augenblicklich war sie gesund und stark und unglaubliche Freude erfüllte ihren Geist. Altai und Yiacoub kamen in einem vierrädrigen Wagen von Kana an. Sie staunten und wunderten sich, dass Sarah ohne das geringste Zeichen einer Behinderung gehen konnte. Altai, Yiacoub und Sarah kehrten nach Kana zurück, aber erst mehrere Stunden nachdem Yioussouf und seine Söhne nach Nazareth abgereist waren.

Aus dem Buch: Joshua Immanuel der Christus: Sein Leben auf Erden und seine Lehre
Dr. Stylianos Atteshlis – bekannt als Daskalos
Herausgeber: The Stoa Series P.O.Box 8347, 2020 Nicosia – ISBN 9963-8162-3-1